Letzte Aktualisierung:
10.04.2009 11:15

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Michael Neunhöffer

Historie 3

Aus der Geschichte einer alten Künzelsauer Familie

 

von Otto Neunhoeffer

 

Rechts vom Eingang an der westlichen Giebelmauer der Künzelsauer Friedhofskapelle steht ein einfacher rechteckiger Grabstein mit folgender Inschrift:

 

Zum Andenken eines Mannes voll Glaubens und frommen Eifers,
des wolseligen Herrn

Johann Neunhöffers,

der 57 Jahre lang das Evangelische Pfarramt zuerst zu Gerbrunn und von da um seines Glaubens willen vertrieben und dann zu Dürrenzimmern treu verwaltete. Von Alter entkräftet beschloss er dahier in Ruhe sein schönes Leben. Er ging zur ewigen Freude seines Herrn ein. Geboren zu Kirchschönbach 1566, gestorben zu Künzelsau, den 20. Sep. 1654.

Leichentext Hiob 15.Kap. Ich weiß, daß mein Erlöser......

Noch steht sein Andenken im Segen bei seinen zahlreichen Nachkommen hier, die in Dankbarkeit dieses Denkmal erneuern liessen.

 

Wer war dieser Mann, dessen Geschlecht heute noch in unserer Vaterstadt blüht? Woher stammte er, und wie kam er nach Künzelsau?

 

Am 1. Januar 1534 wurde zu Haßfurt am Main Kaspar Neunhoeffer geboren. Wer seine Eltern waren, ist bis jetzt nicht festzustellen. Vermutlich waren es ehrsame Haßfurter Bürgersleute. Nur 15 Jahre lang war der junge Kaspar „unter der Versorgung seiner Eltern in Haßfurt“. Er besuchte jedenfalls die dortige deutsche Schule, erhob sich aber offenbar über den Durchschnitt, und es ist anzunehmen, dass der Haßfurter Pfarrherr sich des begabten Knaben annahm und ihn in die lateinische Sprache und damit in die Anfangsgründe der "gelehrten Bildung" einführte. Mit 15 Jahren tritt unser Scholar in das 4 km mainabwärts von Haßfurt gelegene Benediktinerkloster Sankt Theres ein und „wird darin ein Ordensmann“. Auch im Kloster scheint er sich hervorgetan zu haben, denn schon in jungen Jahren bringt er es zum Prior.

 

Aber in seinem 30. Lebensjahr kommt der große Umschwung. Am 31- Oktober 1517 hatte der Erfurter Augustinermönch Martin Luther seine 95 Thesen an der Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen und damit eine Bewegung entfacht, die zu einem die ganze damalige Welt erschütternden geistigen Umbruch führte von einem Ausmaß, wie wir ihn in ähnlicher Form erst wieder in unseren Tagen erleben. An den Mauern des Städtchens Haßfurt scheinen sich freilich zunächst die Wellen gebrochen zu haben. Als Luther starb, war der kleine Kaspar noch nicht 13 Jahre alt und wusste wohl noch nicht viel von den Händeln dieser Welt, so dass er sich mit 15 Jahren getrost in die Obhut des Klosters begab

 

Aber immer weitere Kreise zog die Bewegung und macht auch vor den Klostermauern von Skt. Theres nicht halt. Schon länger hatte man gemunkelt, dass es im Kloster gäre, und um die Jahreswende 1563/64 tritt der Prior Kaspar Neunhöffer mit seinem ganzen Konvent zum Luthertum über, so dass das Kloster jedenfalls zunächst (unsere Quelle sagt "seit jener Zeit" ) leer steht.

 

Unser Kaspar wendet sich südwärts, in das Gebiet der Grafen von Castell, und findet dort endlich in Kirchschönbach bei Prichsenstadt am Fuß des Steigerwalds eine Stelle als "Prädikant", d h. als lutherischer Pfarrer. 1564 heiratet er zu Prichsenstadt Elisabeth Crafft aus einer dort sehr verbreiteten Familie. Etwa 1584 übersiedelte er nach Prichsenstadt, wo er am 1. März 1607 stirbt. Von seinen 8 Kindern leben bei seinem Tod noch 3. Bin Bruchstück der Inschrift auf seinem „Epitaphio“ ist noch überliefert:

 

Hierunter steh ich abgemalt

Caspar Neunhöffer grau und alt

Gebohrn zu Haßfurt in der Stadt

Als man ongfer gezehlet hat

Fünfzehnhundert dreissig vier Jahr

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Acht Kinderlein mit ihr (er)zielet hab

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deren drei sind noch am Leben

 

In Kirchschönbach, das übrigens 1598 wieder katholisch wurde und es heute noch ist, wird ihm 1966 als zweites Kind sein Sohn Johannes geboren. Dieser besucht zu Schweinfurt die lateinische Schule. Wo er weiter dem Studium der Gottesgelahrtheit obgelegen hat, wissen wir nicht. Jedenfalls finden wir ihn 1594 als hochgräflich Castell’schen Pfarrer in Gerbrunn vor den Toren von Würzburg, wo er 3 Jahrzehnte lang in Segen wirkt. Aber auf seine alten Tage (er ist inzwischen angehender Sechziger geworden) blüht ihm noch das harte Los der Verbannung. Der Graf von Gasteil verkauft oder vertauscht sein Dorf Gerbrunn an den Bischof von Würzburg, und damit ist natürlich das Schicksal des evangelischen Prädikanten besiegelt. Er muss 1624 von Gerbrunn abziehen und lebt zunächst als "Exulant", als Verbannter zu Rüdenhausen bei Castell, bis ein freundliches Geschick 1627 dem 61-jährigen einen neuen Wirkungskreis in den dem Grafen von Hohenlohe gehörigen Dorf Dörrenzimmern im heutigen Oberamt Künzelsau bescherte. Hier waltet er noch bis ins hohe Alter, bis 1650, seines Amtes, und auch der Umstand, dass Dörrenzimmern und Stachenhausen vom Kaiser Ferdinand am 16. Januar 1637 dem Deutschorden geschenkt wurde und erst wieder am 18. März 1649 an Hohenlohe zurückfielen, tat seinem Wirken anscheinend keinen Abbruch (die Deutschherren waren offenbar weitherziger als der Bischof von Würzburg).

 

Als Vierundachtzigjähriger zog er sich nach Künzelsau zurück, wo inzwischen 4 seiner Kinder ihren Hausstand gegründet hatten und starb dort 88-jährig am 20.September 1654.

 

Seine Beziehungen zu Künzelsau müssen aber schon aus früher Zeit herrühren. Denn jedenfalls vor 1619 (der genaue Tag ist nicht bekannt) heiratet er Katharina, die Tochter des Künzelsauer Goldschmieds und "Gerichtsverwandten" Heinrich Ganßer, die ihm im Lauf der Jahre 10 Kinder schenkt, aber bereits 1645 im Alter von 61 Jahren stirbt. Wahrscheinlich waren es die durch diese Heirat erworbenen Beziehungen: die ihn nach seiner Vertreibung von Gerbrunn schließlich in die Nähe von Künzelsau führten. Seine Kinder werden alle ehrsame Handwerker oder heiraten solche. Nur sein wahrscheinlich 1622 geborenen Sohn Georg (der Geburtstag ist seltsamerweise gerade von diesem nicht bekannt) bringt es zu etwas "Höherem": er wird "Gerichtsschreiber " eines hochwohllöblichen Ganerbengerichts zu Künzelsau, was damals allerhand bedeutete. Von ihm heiratet eine Tochter nach Marktbreit und stellt die Verbindung zum Pfarrerstand wieder her. Denn ein Sohn von ihr ist Magister Reitz, Pastor und Konsistorialassessor in Marktbreit.

 

Dieser Georg Neunhoeffer ist auf viele Generationen hinaus der letzte "Akademiker" der Familie, die sich im übrigen einer großen Fruchtbarkeit erfreut. Im 17.und 18.Jahrhundert muss es in Künzelsau von Leuten unseres Namens nur so gewimmelt haben. Über seine weiteren Nachkommen außer der genannten Frau Reitz konnte ich vorerst nichts in Erfahrung bringen.

 

Durch sechs Generationen hindurch finde ich in der mir vorliegenden Stammtafel durchweg Handwerker und kleine Kaufleute, die erst im 19.Jahrhundert teilweise zu Fabrikanten und Kommerzienräten "Ausarten". Auch in Wien konnte ich einen "Kommerzjalrat" Neuhöffer feststellen, dessen Vater, wie er mir liebenswürdigerweise schreibt, aus Niederstetten stammt, also zweifellos zu. unserem Stamm gehört.

 

Im 19.Jahrhundert war ein Angehöriger unserer Familie lange Jahre Stadtschultheiß von Künzelsau. Ältere Bürger unserer Stadt dürften sich seiner noch erinnern; ich selbst besinne mich noch seines Leichenbegängnisses. Er war ein Sproß des heute noch in Künzelsau blühenden Familienzweigs. - "Akademiker" sind erst wieder in den jüngsten Generationen zu finden.

Sämtliche mir bekannten Zweige der Familie gehen zurück auf den ältesten Sohn des Pfarrers Johann Neunhoeffer, .Hans Neunhoeffer Kürschner in Künzelsau, geboren 1619, gestorben 1660; er hat also seinen Vater nur um 6 Jahre überlebt. Er heiratet 1647 Anna Maria Schuppart, die Tochter eines alteingesessenen Geschlechts, das im 19.Jahrhundert noch bestand, ("Die Frau des den Älteren noch bekannten Färbermeisters May war eine geborene Schuppart) Deren Enkel Hans Leonhard Neunhoeffer, geb. 1693, gestorben 1760 ist der Stammvater des heute noch in Künzelsau ansässigen Zweigs, während von seinem älteren Bruder Johann David N., geb.1661, gest.1754, meine und die Heidenheimer Linie sich herleiten. Ein nach Möckmühl verpflanzter Zweig der Familie, dem u.a. der auch in Künzelsau nicht unbekannte jetzige Bürgermeister Max N. von Möhrigen a.F. entstammt, leitet sich her von einem Enkel des obengenannten Johann David N., dem Kürschner Johann Friedrich N., geb. 1708, gest.1774.

 

Damit will ich meine kurzen Betrachtungen über eine nun seit rund 300 Jahren in Künzelsau ansässige Familie schließen. Welterschütternde Himmelsstürmer haben wir keine aufzuweisen. Aber mancher unseres Geschlechts (es mögen natürlich auch andere darunter gewesen sein) hat auf dem ihm im Leben angewiesenen Platz treu und gewissenhaft seinen Mann gestellt.

 

Und wer besinnlich einen sich nun durch 12 Geschlechterfolgen erstreckenden Stammbaum durchsieht, wird gar manches aus demselben herauslesen: Wie der 30-jahrige Krieg aus einer Akademikerfamilie eine Handwerkerfamilie gemacht hat, wie nach 3 Generationen im 18.Jahrhundert, von denen kein Glied über 40 Jahre alt wurde, durch eine lebenskräftige Frau (meine Urgroßmutter) wieder so viel gesundes Erbgut hereinkam, dass gleich in der nächsten Generation von 5 Kinder 5 über 80 Jahre alt wurden; wie ein in früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten an Kopfzahl so reiches Geschlecht in der Stadt selbst jetzt nur mehr auf eine Familie beschränkt ist; wie dieser Umstand aber durchaus nicht bloß auf "Aussterben" zurückzuführen ist, sondern auf die im 19. Jahrhundert aufgekommene Freizügigkeit und den Zug in die Ferne, der Sprossen unseres Stammes bis zu unseren Gegenfüsslern nach Australien geführt hat.

 

Am meisten würde es mich freuen, wenn vorstehende Ausführung der Anlass dazu wären, dass auch andere alteingesessene Geschlechter unserer Heimatstadt in ähnlicher Weise behandelt würden. Stammbaumforschungen sind immer belehrend und anregend, besonders wenn sie nicht ausschließlich zum nüchternen Zweck des "Nachweises der arischen Großmutter" betrieben werden!

 

Handschriftliche Ergänzung zu den Akademikern

nachträglich habe ich erfahren, dass schon Stadtschultheiß N. Akademiker und alter Herr im Corps Franconia in Tübingen war, dem damals fast alle Studenten aus Württemb.- Franken angehörten.

 

gez. Otto Neunhoeffer

 

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